Die in dieser Zeitung geführte Debatte um die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft verknüpft eine altbekannte Thematik mit der Frage, ob aus der Praxisorientierung Wissenschaftsdefizite folgen, die sich als Plagiatsneigung manifestieren können (Heinig/Möllers). Die Reaktionen weisen demgegenüber auf das anerkannt gelungene Rechtsgespräch von Wissenschaft und Praxis hin (Huber/Radtke) und erklären die praktische Arbeit auch zum Gegenstand der Wissenschaft (Canaris/Schmidt). Ins Zentrum der Kontroverse ist damit die Frage getreten, welchen Einfluss das Verhältnis von Theorie und Praxis auf die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft hat. Beide Positionen verabsolutieren jedoch jeweils eine Sicht, die der Frage, was der Anwendungsbezug für die Rechtswissenschaft wissenschaftlich bedeutet, nicht gerecht wird. Weder kann man die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft dadurch begründen, dass man ihren Praxisbezug verdrängt (Heinig/Möllers), noch sollte man sich damit zufriedengeben, dass sich gute Wissenschaft zuerst in einer gelungenen Fall-Lösung bewähre (Canaris/Schmidt).
(Oliver Lepsius, Nie war sie so dogmatisch wie heute, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.05.2011)