Alles veloziferisch: über Facebook, TikTok und Co.

Für das größte Unheil unserer Zeit, die nichts reif werden läßt, muß ich halten, daß man im nächsten Augenblick den vorhergehenden verspeist, den Tag im Tage vertut und so immer aus der Hand in den Mund lebt, ohne irgend etwas vor sich zu bringen. Haben wir doch schon Blätter für sämtliche Tageszeiten! ein guter Kopf könnte wohl noch eins und das andere interkalieren. Dadurch wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet, ja was er vorhat, ins Öffentliche geschleppt. Niemand darf sich freuen oder leiden als zum Zeitvertreib der übrigen; und so springt´s von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch.

(Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden, S. 289 [Zweites Buch, Betrachtungen im Sinne der Wanderer] [Hamburger Ausgabe, hrsg. v. Erich Trunz, Band VIII: Romane und Novellen III, 13. Aufl. 1994])

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