Spaltung der Beweggründe

Es ist ein psychologisches Geheimnis, daß Menschen … von den Umständen so lange begünstigt werden, bis der Spannungsgegensatz zwischen Traum und Wirklichkeit mit einer Katastrophe endet. Blickt man tiefer, so kennzeichnet sich die Schwäche ihrer Konstruktion von vornherein durch die Spaltung der Beweggründe: es entsteht ein Sowohl-Als-auch, eine Doppeltheit der Absicht. Sie wollen sich gegen das Mißlingen wie gegen das warnende Gewissen sichern, indem sie den nächstliegenden Zweck mit einem ferner liegenden, der unpersönlicher scheint, stützen und überhöhen. Statt daß sie aber damit die Kraftquelle verstärken, wie sie meinen, zerteilen sie sie, und während sie sich einen Fluchtweg nach dieser und nach jener Seite offenhalten wollen, verrammeln sie alle beide.

(Jakob Wassermann, Joseph Kerkhovens dritte Existenz, 1989, S. 249)

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