Normgebete

Gott hatte ich verloren, als ich das Beten optimierte. Seit frühester Kindheit hatte ich jeden Abend zwei lange Normgebete gesprochen, und zwar mit enervierender, masochistischer Langsamkeit, um bloß nicht der Eile und Oberflächlichkeit bezichtigt werden zu können. Zwischen beiden hatte ich immer ein ziemlich langes Zwiegespräch mit Gott geführt, eine tatsächliche Rekapitulation des Tages vorgenommen…

Des Menschen lächerliche Lage

Erst hat die naturwissenschaftliche Erkenntnis das göttliche Weltbild zerstört und den Menschen ins Zentrum des Geschehens gerückt. Dann hat sie ihn dort stehen lassen, ohne Antworten, in einer Lage, die nichts weiter als lächerlich ist. (Juli Zeh, Corpus Delicti – Ein Prozess, 40. Aufl. 2010, S. 26 f.)

Gretchenfrage

MARGARETE. Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.  FAUST. Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut; Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut, Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.  MARGARETE. Das ist nicht recht, man muß dran glauben! …

Glaubensrot oder: Der wahre Gottesbeweis

Und ich denke an jenen Universitätsprofessor in Südosteuropa, der eine seiner Schülerinnen über die Beweise der Existenz Gottes befragt; sie legt los: historischer Beweis, ontologischer Beweis usw. Aber sie beeilt sich hinzuzufügen: „Und doch glaube ich nicht daran.“ Der Professor ärgert sich und wiederholt die Beweise der Reihe nach; mit einem Achselzucken beharrt sie in…

Gebet als Streit

Im Alten Testament verstand man sich darauf, den Himmel einzuschüchtern, man drohte ihm mit der Faust: das Gebet war ein Streit zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer. Das Evangelium kam, um sie zu versöhnen… (E. M. Cioran, Syllogismen der Bitterkeit, 1995, S. 60)

Die Verlegenheit, zu glauben

Er war nie in die Verlegenheit gekommen, an Gott zu glauben… (Robert Seethaler, Ein ganzes Leben, 25. Aufl. 2016, S. 176)

Theologie und Ökologie

Was, Mensch, zerstörst du deines Schöpfers Welt?… Greifst du das Dasein an durch das du bist? (Franz Grillparzer, Weh dem, der lügt!, 2001, V. 139 und 142)

Wohin Mönche blicken

Wir standen in der Bauhütte am Fenster der Mansarde, und tief unten, in den verschneiten Innenhöfen, wandelten schwarze Kutten. „Mann, die könnten uns sehen!“ „Keine Sorge“, beruhigte er mich… „Die reden zwar dauernd von Gott, aber keiner von denen schaut zum Himmel auf. Es sind Bodenblicker! (Thomas Hürlimann, Der Rote Diamant, 2022, S. 63)

Ich würde retten, retten

Aber ich, wär ich allmächtig, sehen Sie, wenn ich so wäre, und ich könnte das Leiden nicht ertragen, ich würde retten, retten… (Georg Büchner, Lenz, 2016, S. 31)

Freiheit!

… nach Freiheit doch verlangt es mich, nach Freiheit, Freiheit dürste ich…

Genussflucht

Wenn stets ein Gott genießen kann, bin ich dem Wechsel untertan…

Sicut deus

Könnt ein Gott zu sein so sehr dich reun?